Reformationstag 31.10.2023
Pfr. Jörg Coburger über Matthäus 5,1-10
Pfr. Jörg Coburger über Matthäus 5,1-10
Die Seligpreisungen
Gerade aus dem Evangelium, das herausleuchtet in seiner nirgendwo sonst so intensiven jüdisch-christlichen Kontinuität. Wir sehen doch, dass das nicht einfach mal so überall bei allen Evangelisten normal ist in den Evangelien. Matthäus spricht zu einer judenchristlichen Gemeinde. Bei denen muss es in Ohr und Herzen geleuchtet haben mit dem Selig. So beginnen zum Beispiel die Psalmen. Das heißt nicht einfach hemdsärmelig „Glücklich“. „Selig“ ist eine Ansage Gottes. Ich stehe auf ihrer Seite. Die mit den Defiziten und die, denen noch etwas fehlt, die Hungrigen und Barmherzigen… oder wie der Apostel Paulus mit seiner Streitgemeinde in Korinth rief: Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig. Die Betonung liegt auf „mächtig“. Dort ist das Ziel.
Nein, nicht gleich immer reflexartig Ideologie draus machen. Gott will uns nicht klein und schwach, er findet Mickrigkeit nicht schick. Vielmehr richtet er auf damit: Von Dir mit deinen Mängeln ist noch eine Menge zu erwarten.
Weshalb? Weil Gottes Geist all unseren Mangel ausfüllt. Und damit sind wir schon, ja, weil das heute am Reformationstag dran ist, bei dem wichtigsten Wort des Tages „Gnade“ Die Bibel ist ein Buch der geächteten Worte: Gnade! Wahr ist: Wir sind nicht zuerst die Macherinnen und Macher, die alles immer im Griff haben.
Der Mensch ist zuerst Empfangender und zuletzt Empfangender. Wir sind nicht zuerst Agierende, sondern Re-Agierende. Oder es mit der Wahrheit zu sagen, für die sich Martin Luther hätte totschlagen lassen: Bei Gott geht es immer und ausnahmslos mit dem Schenken los. Alles ist Gnade.
Tut wir nicht so! Auch wir haben solche kirchlichen Zauberworte, wo wir uns gerade nicht gesundschrumpfen, wie es eine zeitlang hieß, sondern wo es ans Knochenmark geht: „Das muss gestaltet werden“
Die Seligpreisungen haben geradezu etwas Subversives. Sie unterwandern heiter und fröhlich ja nicht nur derzeitige Ideologien – auf neuhochdeutsch heißt das pseudointellektuelle Wort derzeit „Narrative“ dafür – mir zieht es die Schuhe aus! – sondern sie unterwandern auch kirchliche Leitlinien, wo unsere arg geschrumpften Verhältnisse.
Sind wir eine selige Kirche? Aber ja, wegen seiner Verheißungen.
Glauben wir das dem Herrn der weltweiten Kirche, dann müssen wir so leben. Dann müssen wir hineinbuttern, klotzen nicht kleckern, wo die Menschen sind. Denn um die geht es in den Seligpreisungen. In die Beziehungsarbeit investieren. Da merken wir, wie wir, als eine Kirche, die nicht mehr mächtig ist, vielmehr nach dem Willen unseres Herrn eine vollmächtige Kirche sind, eine bevollmächtigte, solche, die etwas zu sagen haben. Defizit und Überschuss: Der Überschuss Gottes kommt denen in ihrem konkreten Mangel zugute, die als ohnmächtig und ausgeliefert gelten.
Die Seligpreisungen sagen, was wir nicht gerne hören wollen.
Das Reich Gottes unterscheidet sich von der Welt, wie wir sie kennen.
Geben und zulassen, anstatt haben und machen. Selig die, denen nicht alles nach Wunsch gegangen ist, weil die Gnade auf unseren krummen Linien gerade schreiben kann. Sie werden beglückwünscht – aber, noch einmal: keine Ideologie draus machen – nicht für stilles Dulden und ihr Runterschlucken – die Seligpreisungen sind der Glückwunsch an die Unzufriedenen. An die, die sich fremdes Leid nicht vom Leibe halten.
Und auf einmal kann, ja kann es aufbrechen: Dass die Gewaltlosen das Land ererben und gehört werden müssen. „Keine Gewalt“ haben sie gerufen, erst im Gebet geflüstert, dann immer lauter. Selig, wer sich in seinem Unglück nicht einrichtet.
Aber bitte, keine Gewalt, keine verbale und keine gegenständliche Gewalt. Das ist aktueller als wir eilfertig wahrnehmen. Im Augenblick erlebe ich meine Kirche als eine, die bestimmten Kräften im Lande ihre Form politischer Gewalt hilft abzusegnen und eloquent zu begründen. Es bleibt Gewalt! Wenn alle Lügen glänzen, braucht es das kleine Kind wie im Märchen, vor dem bejubelten nackten Kaiser mit seinem „ABER“-Gerufe „Aber er hat ja gar nichts an“
Liebe Gemeinde, will jetzt einen großen oder gar nicht so großen Schwenk in der Predigt machen. Bei den Seligpreisungen in ihrer Vielfalt und Länge höre ich in Gesprächen immer neu, wo heutige Menschen sich persönlich besonders angesprochen. Bitte schaut euch mal um, wo ihr gerade sitzt und tauscht euch aus, wo in den Seligpreisungen du dich in deinem konkreten Leben ganz besonders weißt! Macht euch bei euren Nachbarn gegenseitig darauf aufmerksam, was euch betrifft. Dann will ich ein paar Kurzen Sätzen die Predigt zusammenfassen. Wer möchte, kann dazu
EG 759 aufschlagen.
( 3-4 Minuten PAUSE zum Gespräch; EG 759 )
Selig sind die Stotterfritzen,
unzählig ihre Synapsen der Liebe.
Selig sind, die kein Bild von mir haben,
sie treffen mich immer am besten.
Selig sind die Heulsusen,
mit ihnen ist kein Krieg zu gewinnen.
Selig sind die Fetten,
denn sie tanzen aus der Reihe.
Selig sind die Schweigenden,
bei ihnen ist viel Widerhall.
Selig sind die mit Schmerzen,
denn sie leben verheißungsvoll.
Selig sind die Suppenliebhaber,
denn sie gehören zu den Geduldigen.
Selig sind die Legastheniker,
denn sie hören gut zu.
Selig sind die Angsthasen,
denn sie leben nachhaltig.
Selig, die nicht immer schon Bescheidwissen,
denn sie sollen wieder durchblicken.
Selig sind, die ihr Vieh beim Namen rufen,
denn sie bekommen ein Gesicht dadurch.
Selig sind die Spaßbremsen,
ihr Blick lässt sich nicht billig ablenken.
Selig, die nicht alles segnen,
denn sie bleiben erkennbar.
Selig sind, denen etwas Frommes rausrutscht,
denn sie bringen Licht ins Dunkel.
Selig sind, die mit der Bergpredigt keine Politik machen,
sie werden viel erreichen.
Gerade aus dem Evangelium, das herausleuchtet in seiner nirgendwo sonst so intensiven jüdisch-christlichen Kontinuität. Wir sehen doch, dass das nicht einfach mal so überall bei allen Evangelisten normal ist in den Evangelien. Matthäus spricht zu einer judenchristlichen Gemeinde. Bei denen muss es in Ohr und Herzen geleuchtet haben mit dem Selig. So beginnen zum Beispiel die Psalmen. Das heißt nicht einfach hemdsärmelig „Glücklich“. „Selig“ ist eine Ansage Gottes. Ich stehe auf ihrer Seite. Die mit den Defiziten und die, denen noch etwas fehlt, die Hungrigen und Barmherzigen… oder wie der Apostel Paulus mit seiner Streitgemeinde in Korinth rief: Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig. Die Betonung liegt auf „mächtig“. Dort ist das Ziel.
Nein, nicht gleich immer reflexartig Ideologie draus machen. Gott will uns nicht klein und schwach, er findet Mickrigkeit nicht schick. Vielmehr richtet er auf damit: Von Dir mit deinen Mängeln ist noch eine Menge zu erwarten.
Weshalb? Weil Gottes Geist all unseren Mangel ausfüllt. Und damit sind wir schon, ja, weil das heute am Reformationstag dran ist, bei dem wichtigsten Wort des Tages „Gnade“ Die Bibel ist ein Buch der geächteten Worte: Gnade! Wahr ist: Wir sind nicht zuerst die Macherinnen und Macher, die alles immer im Griff haben.
Der Mensch ist zuerst Empfangender und zuletzt Empfangender. Wir sind nicht zuerst Agierende, sondern Re-Agierende. Oder es mit der Wahrheit zu sagen, für die sich Martin Luther hätte totschlagen lassen: Bei Gott geht es immer und ausnahmslos mit dem Schenken los. Alles ist Gnade.
Tut wir nicht so! Auch wir haben solche kirchlichen Zauberworte, wo wir uns gerade nicht gesundschrumpfen, wie es eine zeitlang hieß, sondern wo es ans Knochenmark geht: „Das muss gestaltet werden“
Die Seligpreisungen haben geradezu etwas Subversives. Sie unterwandern heiter und fröhlich ja nicht nur derzeitige Ideologien – auf neuhochdeutsch heißt das pseudointellektuelle Wort derzeit „Narrative“ dafür – mir zieht es die Schuhe aus! – sondern sie unterwandern auch kirchliche Leitlinien, wo unsere arg geschrumpften Verhältnisse.
Sind wir eine selige Kirche? Aber ja, wegen seiner Verheißungen.
Glauben wir das dem Herrn der weltweiten Kirche, dann müssen wir so leben. Dann müssen wir hineinbuttern, klotzen nicht kleckern, wo die Menschen sind. Denn um die geht es in den Seligpreisungen. In die Beziehungsarbeit investieren. Da merken wir, wie wir, als eine Kirche, die nicht mehr mächtig ist, vielmehr nach dem Willen unseres Herrn eine vollmächtige Kirche sind, eine bevollmächtigte, solche, die etwas zu sagen haben. Defizit und Überschuss: Der Überschuss Gottes kommt denen in ihrem konkreten Mangel zugute, die als ohnmächtig und ausgeliefert gelten.
Die Seligpreisungen sagen, was wir nicht gerne hören wollen.
Das Reich Gottes unterscheidet sich von der Welt, wie wir sie kennen.
Geben und zulassen, anstatt haben und machen. Selig die, denen nicht alles nach Wunsch gegangen ist, weil die Gnade auf unseren krummen Linien gerade schreiben kann. Sie werden beglückwünscht – aber, noch einmal: keine Ideologie draus machen – nicht für stilles Dulden und ihr Runterschlucken – die Seligpreisungen sind der Glückwunsch an die Unzufriedenen. An die, die sich fremdes Leid nicht vom Leibe halten.
Und auf einmal kann, ja kann es aufbrechen: Dass die Gewaltlosen das Land ererben und gehört werden müssen. „Keine Gewalt“ haben sie gerufen, erst im Gebet geflüstert, dann immer lauter. Selig, wer sich in seinem Unglück nicht einrichtet.
Aber bitte, keine Gewalt, keine verbale und keine gegenständliche Gewalt. Das ist aktueller als wir eilfertig wahrnehmen. Im Augenblick erlebe ich meine Kirche als eine, die bestimmten Kräften im Lande ihre Form politischer Gewalt hilft abzusegnen und eloquent zu begründen. Es bleibt Gewalt! Wenn alle Lügen glänzen, braucht es das kleine Kind wie im Märchen, vor dem bejubelten nackten Kaiser mit seinem „ABER“-Gerufe „Aber er hat ja gar nichts an“
Liebe Gemeinde, will jetzt einen großen oder gar nicht so großen Schwenk in der Predigt machen. Bei den Seligpreisungen in ihrer Vielfalt und Länge höre ich in Gesprächen immer neu, wo heutige Menschen sich persönlich besonders angesprochen. Bitte schaut euch mal um, wo ihr gerade sitzt und tauscht euch aus, wo in den Seligpreisungen du dich in deinem konkreten Leben ganz besonders weißt! Macht euch bei euren Nachbarn gegenseitig darauf aufmerksam, was euch betrifft. Dann will ich ein paar Kurzen Sätzen die Predigt zusammenfassen. Wer möchte, kann dazu
EG 759 aufschlagen.
( 3-4 Minuten PAUSE zum Gespräch; EG 759 )
Selig sind die Stotterfritzen,
unzählig ihre Synapsen der Liebe.
Selig sind, die kein Bild von mir haben,
sie treffen mich immer am besten.
Selig sind die Heulsusen,
mit ihnen ist kein Krieg zu gewinnen.
Selig sind die Fetten,
denn sie tanzen aus der Reihe.
Selig sind die Schweigenden,
bei ihnen ist viel Widerhall.
Selig sind die mit Schmerzen,
denn sie leben verheißungsvoll.
Selig sind die Suppenliebhaber,
denn sie gehören zu den Geduldigen.
Selig sind die Legastheniker,
denn sie hören gut zu.
Selig sind die Angsthasen,
denn sie leben nachhaltig.
Selig, die nicht immer schon Bescheidwissen,
denn sie sollen wieder durchblicken.
Selig sind, die ihr Vieh beim Namen rufen,
denn sie bekommen ein Gesicht dadurch.
Selig sind die Spaßbremsen,
ihr Blick lässt sich nicht billig ablenken.
Selig, die nicht alles segnen,
denn sie bleiben erkennbar.
Selig sind, denen etwas Frommes rausrutscht,
denn sie bringen Licht ins Dunkel.
Selig sind, die mit der Bergpredigt keine Politik machen,
sie werden viel erreichen.